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Streikmaßnahmen der Gewerkschaft ver.di auf dem Betriebsgelände von Amazon Pforzheim werden nicht untersagt
Datum: 24.02.2016
Bei Unternehmen der Amazon-Gruppe fanden seit April 2013 mehrere Streiks statt. Die Gewerkschaft ver.di forderte die Amazon Pforzheim
GmbH im Rahmen dieses Arbeitskampfes dazu auf, mit ihr in Verhandlungen über den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages
hinsichtlich der Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg einzutreten. Dies lehnte Amazon ab. Am 21. und
22. September 2015 kam es deshalb zu Streikmaßnahmen vor dem Haupteingang auf dem Betriebsgelände von Amazon. Dabei versammelten
sich zeitweise ca. 35 Personen. Es wurden zeitweise mehrere größere Trommeln aufgebaut und Flugblätter verteilt, die zum
Streik aufriefen.
Im vorliegenden am 22. September 2015 beim Arbeitsgericht Pforzheim eingegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren verlangt Amazon
von ver.di die Unterlassung von weiteren Streikmaßnahmen auf ihrem Betriebsgelände und bei Zuwiderhandlung gegen die
Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €. Amazon ist der Ansicht, dass sie auf ihrem privaten Betriebsgelände
keine Streikmaßnahmen dulden müsse. Der Bereich vor dem Haupteingang, der sich zwischen den Betriebsgebäuden und
angemieteten Pkw-Parkplätzen befinde, sei eindeutig privates Betriebsgelände. Ver.di werde nicht in ihrem Streikrecht
beeinträchtigt, wenn die Arbeitskampfmaßnahmen außerhalb des Betriebsgeländes stattfinden müssen. Auch die
besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gegeben, da ver.di weitere Streikmaßnahmen
angekündigt habe.
Ver.di ist der Auffassung, dass im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz keine besondere Eilbedürftigkeit bestehe. Die
Streikmaßnahmen seien am 22. September 2015 beendet worden. Im Übrigen wäre das Grundrecht auf Streik erheblich verletzt,
wenn ver.di nicht vor dem Haupteingang, sondern nur weit davon entfernt vor der Einfahrt der großen Parkplätze
Streikmaßnahmen durchführen dürfe. Das Streikrecht umfasse auch, dass arbeitswillige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
persönlich angesprochen werden könnten.
Das Arbeitsgericht Pforzheim hat die Anträge von Amazon mit Urteil vom 23. September 2015 (5 Ga 4/15) zurückgewiesen, weil nach
Beendigung der konkreten Streikmaßnahmen keine besondere Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung
mehr bestehe.
Die Berufung von Amazon hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren weder ein Verfügungsgrund noch
ein Verfügungsanspruch für die Anträge vor.
Eine besondere Dringlichkeit der einstweiligen Verfügung (Verfügungsgrund) ist deshalb nicht gegeben, weil für Amazon bis zu
einer Entscheidung in der Hauptsache vor dem Arbeitsgericht Berlin (voraussichtlich am 7. April 2016) keine erheblichen Nachteile zu
befürchten sind, nachdem ver.di nach ihren eigenen Angaben derzeit keine Streikmaßnahmen bei Amazon in Pforzheim plant.
Auch ein Verfügungsanspruch liegt nicht vor, weil bei einer Abwägung der Rechtsgüter beider Parteien (insbesondere das
Hausrecht von Amazon [Art. 13 GG] gegen das Streikrecht von ver.di [Art. 9 Abs. 3 GG]) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit keine offenkundige Rechtswidrigkeit von Streikmaßnahmen erkennbar ist. Nach Auffassung des
Berufungsgerichts sind bei einer grundrechtsfreundlichen Auslegung des Hausrechts von Amazon nicht von vornherein alle Streikmaßnahmen
auf den privaten Betriebsparkplätzen unzulässig.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Februar 2016 (2 SaGa 1/15)